Der Streit um die Tax Law Clinic geht weiter

Bundesgerichtshof ist nicht von der Verfassungswidrigkeit des Verbots unentgeltlicher Steuerrechtsberatung überzeugt

Mit Beschluss vom 28. März 2023 hat der Bundesgerichtshof die Rechtsbeschwerde des Vereins „Tax Law Clinic Hannover“ (e.V. in Gründung) als unbegründet zurückgewiesen (Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs: II ZB 11/22).

Wir sind dagegen weiterhin davon überzeugt, dass das weitgehende Verbot altruistischer Steuerrechtsberatung verfassungswidrig ist. Die Unterstellung, dass mit der Zulassung einer Tax Law Clinic das Steueraufkommen gefährdet sei, während seit Jahren Law Clinics – unter Anleitung von Berufsträgern – im Verbraucherrecht, Gesellschafts-, Ausländer-,Sozialrecht und in sämtlichen anderen Rechtsgebieten tätig sind, ohne dass eine Gefährdung der Rechtsuchenden, der Rechtsordnung oder von Haushaltsmitteln bekannt geworden wäre, ist grotesk. Der Verein wird daher seinen Einsatz für die Legalisierung von Tax Law Clinics weiterführen und gegen diese Entscheidung Verfassungsbeschwerde einzulegen.

Im Übrigen ist die Politik aufgerufen, Studierenden auch im Steuerrecht die Möglichkeit zu eröffnen, ihr erlerntes Wissen praktisch anzuwenden und sich ehrenamtlich zu engagieren. Die Zulassung von Tax Law Clinics wäre ein wichtiger Baustein für die Nachwuchsgewinnung im Bereich des Steuerrechts.

Hintergrund:

Seit seiner Gründung im Jahr 2015 plant der Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Hannover (VFS Hannover) die Errichtung einer Tax Law Clinic, also einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung für Studierende durch Studierende unter der Anleitung von Rechtsanwältinnen und -anwälten, Steuerberaterinnen und -beratern, um den Studierenden eigene praktische Erfahrungen zu ermöglichen.

Unentgeltliche Rechtsberatung durch Studierende im Rahmen sog. Law Clinics ist an den meisten Universitäten mit rechtswissenschaftlicher Fakultät – so auch in Hannover – üblich und äußerst gefragt. Das Steuerrecht ist von dieser Beratung jedoch ausgenommen,sodass unentgeltliche Steuerrechtsberatung nach dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) weiterhin unzulässig ist und sogar eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Der Wortlaut des im StBerG geregelten Verbots ist jedoch identisch mit dem ursprünglich für alle anderen Rechtsgebiete geltenden Verbot im früheren Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Beide Gesetze stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus und hatten die wirtschaftliche Vernichtung jüdischer Rechtsberater zum Ziel. Das im RBerG geregelte Verbot wurde im Jahr 2004 auf Betreiben des ehemaligen RiOLG Dr. Helmut Kramer durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angesehen und in der Folge durch den Gesetzgeber abgeschafft. Seither sind nach § 6 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) unentgeltliche studentische Beratungen – außerhalb des Steuerrechts – erlaubt. Der VFS Hannover vertritt die Auffassung, dass das weiterhin bestehende Verbot einer unentgeltlichen Beratung auf dem Gebiet des Steuerrechts in seiner derzeitigen Form ebenfalls verfassungswidrig ist.

Gründung des Vereins „Tax Law Clinic Hannover“:

Da einer finanzgerichtlichen Feststellungsklage des VFS Hannover das Feststellungsinteresse abgesprochen wurde, weil das Begehen einer Ordnungswidrigkeit (qua unzulässiger Beratung) als zumutbar angesehen wurde, gründeten einige Mitglieder des VFS Hannover den Verein „Tax Law Clinic Hannover“ mit dem alleinigen Zweck der Errichtung von Deutschlands erster Tax Law Clinic in Hannover, um die Gemeinnützigkeit des VFS nicht zu gefährden.Die für die Eintragung in das Vereinsregister erforderlichen Unterlagen wurden notariell beglaubigt und mit einem Hinweis auf die mögliche Rechtswidrigkeit des Vereinszwecks an das Vereinsregister übersandt. Wie erwartet lehnte das Amtsgericht Hannover die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister ab. Hiergegen legte der Verein Beschwerde ein, die durch Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 10. März 2022 (9 W 14/22) abgewiesen wurde.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Die von dem Verein mit Unterstützung von Prof. Dr. Volkert Vorwerk eingelegte Rechtsbeschwerde hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs als unbegründet zurückgewiesen. Von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG hat der Senat abgesehen.

Das Gericht hält das Angebot einer Tax Law Clinic für unzulässig. Die strikten Regelungen des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) seien gegenüber denen des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), die seit 2008 die Gründung von Law Clinics erlauben, vorrangig. Im Übrigen ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des im StBerG geregelten Verbots überzeugt. Zwar sei es fraglich, ob der durch das Verbot verfolgte Schutz der Rechtsuchenden einen so weitgehenden Ausschluss unentgeltlicher Steuerrechtsberatung erfordere, denn dieser Schutz könne auch durch die mittlerweile in § 6 Abs. 2 RDG vorgesehene Anleitung der beratenden Studierenden durch qualifizierte Personen, also durch Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte, erfolgen. Eine solche Anleitung, die keine ständige Begleitung und Beaufsichtigung der Beratenden, sondern lediglich eine Mitwirkung im Einzelfall erfordere, genüge auf dem Gebiet des Steuerrechts aber nicht. Denn hier schütze das Verbot nicht nur den Rechtsuchenden, sondern auch das Steueraufkommen, das ohne eine Kontrolle der Beratung im Einzelfall gefährdet sei. Auch wenn die durch die Tax Law Clinic beratenen Steuerfälle regelmäßig nur von geringerem finanziellem Gewicht sein dürften, könne sich eine Vielzahl dieser Fälle in der Summe für das Steueraufkommen auswirken.

Den Volltext der Entscheidung des Bundesgerichtshof können Sie hier abrufen.

 

Alle Informationen zu den bisherigen Bemühungen des VFS Hannover um die Errichtung einer Tax Law Clinic, die Volltexte der ergangenen Entscheidungen und zahlreiche Medienberichte finden Sie auf der Website des VFS Hannover.

Bei Rückfragen steht Ihnen unser Vereinsvorsitzender Dr. Thomas Keß gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.