Deutschlands erste Tax Law Clinic in Hannover gegründet

Unentgeltliche Rechtsberatung von Studierenden für Studierende
auch im Steuerrecht

Am 11. Oktober 2021 wurde in Hannover der Verein „Tax Law Clinic Hannover“ gegründet. Satzungszweck des neuen Vereins ist das Betreiben der ersten Tax Law Clinic Deutschlands in Hannover.

Gründungsmitglieder der Tax Law Clinic Hannover sind mit RRef Viktoriya Khuvis, RiFG Dr. Thomas Keß, MDgt a.D. Hubertus Plenz, RA/StB Jens Röhrbein, RA/StB Dr. Zacharias Schneider, RA Henning Schröder und stud. iur. Lennart Sindermann allesamt Vorstands- und Vereinsmitglieder des VFS Hannover – Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover. Zum Vereinsvorstand wurde Hubertus Plenz gewählt.

Hintergrund: Der VFS Hannover hat das Ziel, das Steuerrecht am Standort Hannover zu fördern, insbesondere im juristischen Studium an der dortigen Leibniz Universität. Zu diesem Zweck plant er seit seiner Gründung im Jahr 2015 die Errichtung einer Tax Law Clinic, also einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung für Studierende durch Studierende unter der Anleitung von Rechtsanwältinnen und -anwälten, Steuerberaterinnen und -beratern.

Unentgeltliche Rechtsberatung durch Studierende im Rahmen sog. Law Clinics ist an den meisten Universitäten mit rechtswissenschaftlicher Fakultät – so auch in Hannover – üblich und äußerst gefragt. Das Steuerrecht ist von dieser Beratung jedoch ausgenommen. Hintergrund ist, dass unentgeltliche Steuerrechtsberatung nach dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) grundsätzlich unzulässig ist und sogar eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Der Wortlaut des im StBerG geregelten Verbots ist jedoch identisch mit einem ursprünglich für alle anderen Rechtsgebiete geltenden Verbot im früheren Rechtsberatungsgesetz (RBerG). Beide Gesetze stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus und hatten die wirtschaftliche Vernichtung jüdischer Rechtsberater zum Ziel. Das im RBerG geregelte Verbot wurde im Jahr 2004 auf Betreiben des ehemaligen RiOLG Dr. Helmut Kramer durch das  Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig angesehen und in der Folge durch den Gesetzgeber abgeschafft. Seither sind nach § 6 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) unentgeltliche studentische Beratungen – außerhalb des Steuerrechts – erlaubt. Der VFS Hannover vertritt die Auffassung, dass das weiterhin bestehende Verbot einer unentgeltlichen Beratung auf dem Gebiet des Steuerrechts in seiner derzeitigen Form ebenfalls verfassungswidrig ist.

Eine finanzgerichtliche Klärung dieser Rechtsfrage wurde dem Verein jedoch verwehrt. Eine entsprechende Feststellungsklage wies das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 5. März 2019 (6 K 298/18) als unzulässig ab. Mit Beschluss vom 30. September 2020 (VII B 96/19) bestätigte der Bundesfinanzhof diese Entscheidung und entschied, dass die Durchführung einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung trotz eines möglicherweise drohenden Bußgeldes zumutbar ist und gerichtliche Schritte erst gegen anschließende repressive Maßnahmen der Finanzverwaltung erfolgen können.

Gründung des Vereins „Tax Law Clinic Hannover“: Obwohl damit höchstrichterlich vorgegeben ist, dass der Start der Tax Law Clinic – und damit eine rechtswidrige Handlung – die einzige Möglichkeit sein soll, die Verfassungswidrigkeit des Verbots im StBerG gerichtlich zu klären, hat sich der Vereinsvorstand dagegen entschieden, diesen Weg mit dem VFS Hannover zu gehen. Zu groß erschienen ihm die Risiken im Hinblick auf die ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen des Gesetzesverstoßes, auf mögliche Folgen für die Gemeinnützigkeit des Vereins, und die berufs- und dienstrechtlichen Konsequenzen für den Vereinsvorstand.

Um das Projekt Tax Law Clinic dennoch realisieren zu können, entschlossen sich die genannten Mitglieder des VFS Hannover dazu, zu diesem Zweck einen eigenen Verein zu gründen. Die für die Eintragung in das Vereinsregister erforderlichen Unterlagen wurden notariell beglaubigt und werden nunmehr zeitnah (mit einem Hinweis auf die mögliche Rechtswidrigkeit des Vereinszwecks) an das Vereinsregister übersandt. Darüber hinaus wird der Verein einen Antrag auf Feststellung seiner Gemeinnützigkeit bei dem zuständigen Finanzamt Hannover-Nord stellen. Nach der Eintragung in das Vereinsregister und der Feststellung der Gemeinnützigkeit des Vereins sollen unter Anleitung des Vorstands Hubertus Plenz die ersten Beratungen der Studierenden in Steuersachen im Rahmen von Deutschlands erster Tax Law Clinic erfolgen. Sollten die Eintragung in das Vereinsregister oder die Anerkennung seiner Gemeinnützigkeit wegen der möglichen Rechtswidrigkeit seines Vereinszwecks abgelehnt werden, wird der Verein hiergegen vorgehen, um die Verfassungswidrigkeit des Verbots der unentgeltlichen Steuerrechtsberatung gerichtlich klären zu lassen.

Gerne halten wir Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.

Alle Informationen zu den bisherigen Bemühungen des VFS Hannover um die Errichtung einer Tax Law Clinic, die Volltexte der ergangenen Entscheidungen und zahlreiche Medienberichte finden Sie auf der Website des VFS Hannover: https://vfs-hannover.de/tax-law-clinic/.

Bei Rückfragen steht Ihnen Dr. Thomas Keß gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.