Bundesfinanzhof verneint Feststellungsinteresse für Klage in Sachen Tax Law Clinic

Mit Beschluss vom 30. September 2020 (VII B 96/19) hat der VII. Senat des Bundesfinanzhofs die Nichtzulassungsbeschwerde des VFS Hannover – Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover – gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts in Sachen Tax Law Clinic zurückgewiesen.  Der Senat verneinte das Feststellungsinteresse des Vereins für eine Klage mit dem Ziel, die Zulässigkeit einer Tax Law Clinic festzustellen.

Hintergrund: Der VFS Hannover plant an der Leibniz Universität Hannover die Einführung von Deutschlands erster Tax Law Clinic, also einer unentgeltlichen Steuerrechtsberatung, die von Studierenden für Studierende unter Anleitung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten durchgeführt wird.

Allerdings ist eine solche unentgeltliche Steuerrechtsberatung nach § 5 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) derzeit verboten. Der Wortlaut des Verbots ist jedoch identisch mit einem für alle anderen Rechtsgebiete geltenden Verbot im früheren Rechtsberatungsgesetz (RBerG), das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2004 als verfassungswidrig angesehen und daher vom Gesetzgeber in der Folge abgeschafft wurde. Seither sind nach § 6 des Rechtsdienstleistungsgesetzes unentgeltliche studentische Beratungen – außerhalb des Steuerrechts – erlaubt und an den deutschen Universitäten auch im Rahmen von Law Clinics verbreitet.

Der VFS Hannover ist der Auffassung, dass das weiterhin bestehende Verbot einer unentgeltlichen Beratung auf dem Gebiet des Steuerrechts in seiner derzeitigen Anwendung ebenfalls verfassungswidrig ist und hat deshalb bei dem Niedersächsischen Finanzgericht eine Feststellungsklage erhoben. Zuvor hatte das zuständige Finanzamt es abgelehnt, die konkret dargestellten Pläne des Vereins zu untersagen, weil dies ein vorheriges Tätigwerden des Vereins erfordere. Das Niedersächsische Finanzgericht verwarf die Klage mit Urteil vom 25. Juli 2019 (6 K 298/18) als unzulässig, weil dem VFS Hannover das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Hiergegen legte der Verein bei dem Bundesfinanzhof eine Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs: Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung der Vorinstanz nun bestätigt und dem VFS Hannover ebenfalls das für die Klage erforderliche Feststellungsinteresse abgesprochen. Dem Verein sei es zumutbar, zunächst die beabsichtigte Beratungstätigkeit durchzuführen und sich sodann gegen repressive Maßnahmen der Finanzverwaltung auf dem Klageweg zur Wehr zu setzen. Der bisher nur vorliegende Verweis des Finanzamts auf die möglichen rechtlichen Konsequenzen des Starts einer Tax Law Clinic stelle noch keine Drohung mit straf- oder berufsrechtlichen Sanktionen dar. Es sei nicht ersichtlich, dass dem Verein durch das Abwarten dieser Maßnahmen erhebliche Nachteile drohten, die seine persönliche oder wirtschaftliche Existenz gefährdeten und die sich nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen wieder korrigieren ließen.

Der Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 30. September 2020 (VII B 96/19) ist hier abrufbar.

Stellungnahme des VFS Hannover: Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs geht – wie zuvor das Niedersächsische Finanzgericht – mit keinem Wort darauf ein, dass nach § 160 StBerG ordnungswidrig handelt, wer gegen das Verbot der unentgeltlichen Steuerrechtsberatung verstößt. Solange nicht – wie im Fall des RBerG – der Gesetzgeber oder das BVerfG einschreiten, stellt eine unentgeltliche Steuerrechtsberatung also nach allgemeinem Verständnis eine rechtswidrige Handlung dar.

Demgegenüber ist es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02), die der VFS Hannover in seinen Schriftsätzen angeführt hat und die aber von dem Bundesfinanzhof ebenfalls mit keinem Wort gewürdigt wurde, „einem Betroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Vielmehr hat er ein schutzwürdiges anzuerkennendes Interesse daran, den Verwaltungsrechtsweg als fachspezifischere Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere dann, wenn ihm ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht“.

In diesem Sinne hält es der u.a. aus Richtern, Beamten, Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehende Vorstand des VFS Hannover weiterhin für unzumutbar, gesetzeswidrig handeln zu müssen, um eine Rechtsfrage klären zu können. Und zwar unabhängig davon, ob die anschließenden Maßnahmen der Finanzverwaltung bereits konkret angedroht sind oder ob sie existentielle Folgen für den Verein haben sollten.

Der Vorstand des VFS Hannover diskutiert derzeit sein weiteres Vorgehen in der Sache.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des VFS Hannover. Gerne stehen wir auch persönlich für Nachfragen zur Verfügung.