Hannoversches Symposium zum Gesellschafts- und Steuerrecht

Am 6. April 2017 fand zum ersten Mal das Hannoversche Symposium zum Gesellschafts- und Steuerrecht in der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover statt. Das Symposium wurde in Kooperation von dem Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover e.V. und dem Verein zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover e.V. (VFS Hannover) veranstaltet.

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RiFG Dr. Thomas Keß[1] begrüßte die etwa 100 Teilnehmende aus Finanzgerichtsbarkeit, Studierendenschaft, Beraterschaft sowie Forschung und Lehre im Namen des VFS Hannover.

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Der VFS Hannover wurde im Jahr 2015 gegründet. Er bietet ein Netzwerk für steuerlich Interessierte aus Beratung, Verwaltung, Unternehmen, Gerichten und Studierenden und verfolgt das Ziel, die Attraktivität des „Steuerstandortes Hannover“ u.a. durch das Angebot von steuerrechtlichen Veranstaltungen zu fördern. Für den Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover hieß RA/FA HGR/FAStR Henning Schröder[2] das Publikum willkommen. Er unterstrich die Bedeutung des kollegialen Austausches, dem sich der Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover verschrieben hat und dem im Rahmen der Veranstaltung Rechnung getragen werde.

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Im Anschluss richteten die Staatssekretärin für Europa und regionale Landesentwicklung in der Niedersächsischen Staatskanzlei Frau Birgit Honé und die Prodekanin der Juristischen Fakultät an der Leibniz Universität Hannover Frau Prof. Dr. Petra Buck-Heeb ihre Grußworte an das anwesende Fachpublikum.

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I. Anteilseinziehung und Abfindung im GmbH-Recht

Das Symposium wurde mit dem Vortrag von Prof. Dr. Detlef Kleindiek[3] zum Thema „Einziehung und Abfindung“ eröffnet. Kleindiek setzte sich mit der Frage auseinander, ob eine Anteilseinziehung erst mit der Zahlung der geschuldeten Abfindung wirksam wird. Der BGH befand mit Urteil vom 24. Januar 2012[4], dass die Einziehung bereits mit der Mitteilung des Beschlusses an den betroffenen Gesellschafter und nicht erst mit der Leistung der Abfindung wirksam werde, wenn der Einziehungsbeschluss weder nichtig ist noch für nichtig erklärt wird. Die Interessen des ausscheidenden Gesellschafters würden ausreichend dadurch geschützt, dass die verbleibenden Gesellschafter dem Ausgeschiedenen persönlich pro rata haften, wenn sie nicht dafür Sorge tragen, dass die Abfindung aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft geleistet werden kann, oder sie die Gesellschaft nicht auflösen. Die Voraussetzungen dieser subsidiären Ausfallhaftung der Gesellschafter hat der II. Senat in seinem Urteil vom 10. Mai 2016 weiter konkretisiert.[5] Danach haften die Gesellschafter nur dann, wenn die Gesellschaft kein freies Vermögens gemäß §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG hat und deswegen an der Zahlung der Abfindung gehindert ist und die Gesellschafter die Gesellschaft nicht auflösen, sondern sie fortsetzen, ohne zugleich für freies Vermögen zu sorgen, aus dem der Abfindungsanspruch befriedigt werden kann. Die verbleibenden Gesellschafter haften auch dann, wenn sie die Voraussetzungen der §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG „treuwidrig“ herbeiführen oder die Erfüllung des Anspruchs aus sonstigen Gründen „treuwidrig“ vereitelt haben. Entgegen in der Literatur geäußerter Kritik sieht Kleindiek in dieser Entscheidung die konsequente Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des BGH, der sich vorher noch nicht mit den konkreten Voraussetzungen der Ausfallhaftung der Gesellschafter auseinandersetzen musste.

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Anschließend widmete sich Kleindiek dem wirksamen Rechtsschutz des ausscheidenden Gesellschafters gegen nichtige bzw. anfechtbare Einziehungsbeschlüsse. Hierzu verwies er zunächst auf § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG, wonach im Verhältnis zur Gesellschaft die formelle Legitimation eines Gesellschafters in der Gesellschafterliste im Handelsregister ausschlaggebend ist. Primäres Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes sei es daher, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu erzielen, mit der der Gesellschaft die Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste, in welcher der eingezogene Anteil nicht mehr genannt ist, vorläufig untersagt wird. Für den Fall, dass im Handelsregister bereits eine geänderte Gesellschafterliste aufgenommen worden ist, müsse dagegen der Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt werden, mit welcher der Gesellschaft die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste, die den eingezogenen Anteil wieder enthält, vorläufig aufgegeben wird. Abweichend zu einer Literaturauffassung ist Kleindiek nicht der Meinung, dass der Anspruch grundsätzlich schon mangels Glaubhaftmachung eines Verfügungsgrundes bzw. wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses entfalle. Dies begründet er insbesondere mit einem Informationsnotstand des Gesellschafters seit Streichung von der Gesellschafterliste und dem damit einhergehenden Verlust aller Gesellschafterrechte. Die einstweilige Sicherung von einzelnen Gesellschafterrechten oder die vorläufige Untersagung des Vollzugs einzelner Gesellschafterbeschlüsse sei nicht ausreichend, um den Ausgeschiedenen zu schützen, da er nach Einreichung der geänderten Gesellschafterliste beim Registergericht gegenüber der Gesellschaft nicht länger legitimiert ist, sodass ihm die notwendigen Informationen für einen effektiven auf einzelne Gesellschafterbeschlüsse bzw. –rechte reduzierten Rechtsschutz fehlten. Auch reiche § 16 Abs. 3 Satz 3 – 5 GmbHG zur Gewährung von Rechtsschutz nicht aus, da der Widerspruch zur Gesellschafterliste ausscheidet, wenn der Anteil wie im Fall der Einziehung nicht mehr auf der Gesellschafterliste steht. Unter Anwendung des BGH-Urteils vom 17. Dezember 2013[6] vertritt Kleindiek die Ansicht, dass das Gericht über den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz bei glaubhaft gemachtem Verfügungsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen vor dem Hintergrund einer folgenorientierten Interessenabwägung zu entscheiden hat.

Kleindiek schloss den Vortrag mit der Darstellung eines Falles aus der aktuellen Rechtsprechung des KG Berlin[7], der die drei Problemkreise der Anteilseinziehung – die Wirksamkeit von Zwangseinziehungen; die formelle Legitimation von Gesellschaftern gemäß § 16 Abs. 1 GmbH und die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen rechtswidrige Zwangseinziehungen –  noch einmal zusammenfasste.
II. Internationales Gesellschaftsrecht

Im Anschluss referierte Dr. Hans-Michael Pott[8] zum Thema „Der Umzug über die Grenze – Rechtsprobleme von Auslandsgesellschaften“. Pott fasste eingangs die Einschränkungen der Anwendung der gemäßigten Sitztheorie zusammen und verwies auf Art. 49, 54 AEUV, welche die Niederlassungsfreiheit auch für Kapitalgesellschaften vorsehen. In einer Reihe von Entscheidungen habe der Europäische Gerichtshof daher zwei Grundaussagen abgeleitet:

  1. Für Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften ist die rechtsformwahrende Sitzverlegung stets möglich, auch wenn ihre Hauptniederlassung eine nahezu leere Hülle ist und die Zweigniederlassung alle Aktivitäten der Gesellschaft ausübt;
  1. Eine identitäts- und rechtsstatuswahrende Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat ist möglich, wenn die Rechtsordnung des bisherigen Heimatstaats dies gestattet und der Aufnahmestaat die Beibehaltung der ausländischen Rechtsform oder eine Änderung in seine Rechtsform vorsieht. Letzteres wird bejaht, wenn der Zuzugsstaat nationale Regelungen zu Rechtsformwechseln, wie in Deutschland das Umwandlungsgesetz, bereithält, da er in diesem Falle (EU-)ausländische Gesellschaften nicht gegenüber inländischen Gesellschaften diskriminieren darf.[9]

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Für die Einwanderung europäischer Gesellschaften nach Deutschland bedeute diese Rechtsprechung, dass wegen der Anwendung der Sitztheorie zwingend eine Umwandlung in eine deutsche Gesellschaftsform erfolgen müsse. Er widersprach hierbei dem OLG Nürnberg, das noch am 13. Februar 2012[10] entschieden hatte, dass die Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes einer luxemburgischen s.à r.l. nach Deutschland unter identitätswahrendem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts unzulässig sei. Ob die Auswanderung deutscher Gesellschaften im Wege der Umwandlung in die Rechtsform des Aufnahmestaates aus deutscher Sicht möglich ist, sei noch ungeklärt. Pott vertritt die Auffassung, dass eine solche Umwandlung wegen des Diskriminierungsverbots nach deutschem Recht zwingend zuzulassen ist.

Pott sprach zudem offene Probleme im Bereich des Internationalen Gesellschaftsrechts an. Noch nicht abschließend geklärt sei, wie registerrechtliche Nachweispflichten auf ausländische Zweigniederlassungen anzuwenden seien und ob z.B. für einen Director einer englischen Limited, für den nach englischem Recht kein Selbstkontrahierungsverbot gilt, eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB eingetragen werden kann. Ebenso sei unklar, ob für die Zulässigkeit einer Firma einer Zweigniederlassung ausländisches Recht oder deutsches Recht anzuwenden ist. Hierzu verwies Pott auf die Urteile des LG Aachen vom 10. April 2007[11] und OLG München vom 07. März 2007[12], die sich in dieser Frage uneinig sind. Das letzte Wort ist nach Auffassung von Pott auch hinsichtlich der Frage, ob und wie lange eine Zweigniederlassung in Deutschland nach einer Löschung der Hauptgesellschaft aus dem ausländischen Register fortbesteht, noch nicht gesprochen.[13]

Besondere Probleme sah Pott zudem im Bereich der Legitimation von englischen Limiteds. Die Probleme der Legitimation hätten sich auch nach der Erweiterung des britischen Handelsregisters „Companies House“ nicht erübrigt, da weiterhin nicht zu erkennen sei, ob Einzel- oder Gesamtvertretungsbefugnis vereinbart sei und nicht zwischen Executive und Non-Executive Directors unterschieden werde. Zum Nachweis der Vertretungsberechtigung bedürfe es deshalb der Bescheinigung eines englischen Notars, in welcher dieser belegt, wie er seine Kenntnisse erlangt hat; die Bescheinigung eines deutschen Notars nach § 21 BNotO sei dagegen nicht ausreichend.[14] Pott verwies für dieses Problem auf einen aktuellen Vorschlag der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012, in der ein Anspruch auf Ausstellung von in der ganzen EU verwendbaren Urkunden, u.a. dem Nachweis zur Vertretung von Gesellschaften, vorgesehen ist.

III. Schenkungsteuerliche Behandlung von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen

Den Nachmittag eröffnete Prof. Dr. Michael Fischer[15] mit einem Vortrag zur schenkungsteuerlichen Behandlung gesellschaftsrechtlicher Vorgänge. Dabei wies er auf die zunehmende Bedeutung der Erbschaft- und Schenkungsteuer hin. Kritisch äußerte er sich in diesem Zusammenhang zu der jüngsten Entscheidung des I. Senats des BFH, der eine Doppelbelastung von Erbschaften an eine Kapitalgesellschaft mit Körperschaft- und Erbschaftsteuer bejaht habe. [16]

Fischer beleuchtete sodann im Einzelnen die schenkungsteuerrechtliche Behandlung verschiedener gesellschaftsrechtlicher Vorgänge, nämlich die Gründung, die Aufnahme und das Ausscheiden von Gesellschaftern, die Liquidation und Gewinnentnahmen. Er problematisierte die Gründung einer Stiftung, bei welcher die Auslösung von Schenkungsteuer durch eine Schenkung an die Stiftung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG in Betracht komme. Der Umstand, dass die Verwendung des Stiftungsvermögens durch den satzungsmäßigen Stiftungszweck gebunden sei, schließe die Annahme einer Bereicherung nicht aus. Vielmehr erfolge eine Besteuerung nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG bei der Gründung einer Stiftung grds. immer, wenn nicht die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 lit. b ErbStG greife. Fischer diskutierte, ob die Zuordnung des Vermögens zur Stiftung und damit eine Besteuerung aber dann ausscheide, wenn der Stifter die Stiftung rechtsmissbräuchlich gründe. Insofern verwies er auf das Urteil des FG Münster vom 11. Dezember 2014[17], das genau zu diesem Schluss gekommen war. Die Revisionsentscheidung des II. Senats[18] zu dieser Frage erwartet Fischer mit Spannung. Vor diesem Hintergrund diskutierte er auch die Frage, ob für die steuerrechtliche Zuordnung des Vermögens das Zivilrecht maßgeblich sei.[19]

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Nachfolgend beleuchtete er den Fall, in dem ein Neugesellschafter einer GmbH bei seiner Aufnahme gegen Kapitalerhöhung ein zu geringes Aufgeld zahlt. Er bejaht in diesem Fall eine steuerbare Bereicherung des Neugesellschafters auf Kosten der Altgesellschafter gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. § 7 Abs. 8 ErbStG sei seiner Auffassung nach nicht anwendbar, weil Zuwendungsgegenstand die neuen Anteile selbst seien und es deswegen nicht zu einer isolierten Werterhöhung bei den Anteilen der anderen Gesellschafter kommen könne. Für den Fall, dass ein finanziell angeschlagener Gesellschafter einer Personengesellschaft von dieser ein unverzinsliches Darlehen erhält, bejaht Fischer unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH[20] eine steuerbare Zuwendung in Form des Zinsvorteils. Nach § 15 Abs. 1 BewG sei der Jahreswert des Nutzungsvorteils zu 5,5 % anzunehmen, wenn nicht ein anderer Wert durch Vergleich mit dem marktüblichen Zinssatz nachgewiesen werde.

Fischer wies schließlich darauf hin, dass im Fall paritätischer Einbringung in eine GmbH nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 8 ErbStG sowohl im Verhältnis des ersten zum zweiten Gesellschafter, als auch umgekehrt eine steuerbare Schenkung gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG vorläge. Die Annahme von zwei wechselseitigen Schenkungen der Gesellschafter untereinander widerspreche jedoch der wirtschaftlichen Interessenlagen, weshalb er eine teleologische Reduktion des § 7 Abs. 8 ErbStG befürwortet, wie sie auch von der Finanzverwaltung[21] angenommen wird. Diese verneint eine steuerbare Werterhöhung der Gesellschafteranteile, soweit der Leistung der Mitgesellschafter eigene Leistungen gegenüberstehen.
IV. Aktuelle bilanz- und steuerrechtliche Entwicklungen

Prof. Dr. Joachim Hennrichs[22] gab sodann einen Einblick in aktuelle Entwicklungen bei der Bilanzierung und Besteuerung von Gesellschaften. Hierbei knüpfte er thematisch an den Vortrag von Kleindiek an und befasste sich zunächst mit der Bilanzierung beim Ausscheiden von Gesellschaftern gegen Abfindung über dem Buchwert. Da das Kapitalkonto des ausscheidenden Gesellschafters in diesem Fall unterhalb der zu leistenden Abfindung liegt, sei klärungsbedürftig, wie das entstehende Delta bilanziell zu behandeln ist. Diskutiert würden in diesem Zusammenhang zwei Vorgehensweisen: Entweder die anteilige Aufstockung der Buchwerte der Gesellschaft oder die anteilige erfolgsneutrale Kürzung der Kapitalanteile der verbleibenden Gesellschafter.

Die erste Vorgehensweise, die sog. Aufstockungslösung, wird in der Steuerbilanz durchgeführt. Danach liege beim Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Abfindung über Buchwert aus Sicht der verbleibenden Gesellschafter steuerlich eine Anschaffung der anteilig bislang auf den Ausgeschiedenen zugerechneten Wirtschaftsgüter vor. Die Anschaffungskosten sind nach dieser ratio daher durch Aufstockung der Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz der Gesellschaft abzubilden. Diese Vorgehensweise entspreche auch dem IDW RS HFA 7. Für diese Lösung spreche unter anderem der Gleichlauf von Handels- und Steuerrecht und der Gedanke „Wer zahlt, schafft an!“. Dennoch bestehen nach Hennrichs auch Bedenken gegen diese Vorgehensweise. So verstoße sie gegen das gesellschaftsrechtliche Trennungs- wie auch gegen das Relationsprinzip. Die Personengesellschaft schaffe mit Ausscheiden des Altgesellschafters keine Wirtschaftsgüter an. Das Trennungsprinzip i.S.v. § 124 HGB verbiete einen Durchgriff auf die Gesellschafter. Eine Orientierung an der Steuerbilanz sei nicht zielführend, da das Steuerrecht anders als das Handelsrecht vom Transparenzprinzip ausgehe. Auch ein Vergleich mit der bilanzrechtlichen Behandlung bei der GmbH zeige, dass die Lösung unzutreffend ist. Hier käme niemand auf die Idee, bei der GmbH die Buchwerte aufzustocken. Deshalb vertritt Hennrichs die Auffassung, dass eine erfolgsneutrale Verrechnung gegen das Eigenkapital, d.h. die freien Rücklagen erfolgen müsse. Dieser Auffassung habe sich auch der IDW ERS HFA 7 n.F. angeschlossen.

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Im zweiten Teil seines Vortrags erläuterte Hennrichs die Eigenkapital / Fremdkapital-Abgrenzung bei mezzaninen Finanzierungen. Bislang sei es gängige Praxis gewesen, Genussrechte so auszugestalten, dass sie in der Handelsbilanz Eigenkapital und in der Steuerbilanz Fremdkapital darstellten. Dies sei möglich gewesen, weil § 8 Abs. 3 S. 2 KStG anordne, dass Genussrechte nur dann steuerrechtlich Eigenkapital darstellen, wenn mit ihnen sowohl eine Beteiligung am Gewinn, als auch am Liquidationserlös einherginge, wohingegen die Voraussetzungen des IDW HFA 1/1994 an die Bilanzierung als Eigenkapital weniger weitreichend seien. Mit der Verfügung der OFD NRW vom 12. Mai 2016[23] habe diese Gestaltungsmöglichkeit vorerst ein Ende gefunden. Danach führe eine handelsbilanzielle Einordnung als Eigenkapital zwingend auch zu einer steuerbilanziellen Behandlung als Eigenkapital; § 8 Abs. 3 S. 2 KStG bleibe nur für solche Genussrechte relevant, die nach IDW HFA 1/1994 Fremdkapital seien. Hennrichs lehnt diese Ansicht ab. Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei § 8 Abs. 3 S. 2 KStG um eine steuerrechtliche Sondervorschrift handele, die den Maßgeblichkeitsgrundsatz durchbreche. Der Steuergesetzgeber habe durch § 8 Abs. 3 S. 2 KStG selbst festgelegt, wie Eigen- und Fremdkapital in der Steuerbilanz abzugrenzen seien. Selbst wenn man die Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes bejahte, tritt Hennrichs einer Einordnung der IDW Verlautbarungen als GoB entgegen. Jedenfalls aber könne es sich bei ihnen nur um Gliederungs-GoB handeln, welche keine Auswirkung auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz hätten.


V. Realteilung

Herr VRiBFH Michael Wendt[24] informierte zum Abschluss der Veranstaltung in seinem Vortrag über „Neues zur Realteilung“. Hierbei machte Wendt darauf aufmerksam, dass nach aktueller Rechtsprechung des BFH und Auffassung der Finanzverwaltung eine Realteilung nicht länger zwingend die Betriebsaufgabe der Mitunternehmerschaft voraussetze. Nach einer Entscheidung des BFH[25] liege eine Realteilung vielmehr auch dann vor, wenn ein Mitunternehmer unter Übernahme eines Teilbetriebs aus der Mitunternehmerschaft ausscheidet und die Mitunternehmerschaft von den verbleibenden Mitunternehmern fortgesetzt wird. Eine Realteilung werde außerdem für den Fall angenommen, dass der ausscheidende Mitunternehmer seinen Mitunternehmeranteil in sein Betriebsvermögen übertrage.[26] Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, welche die Rechtsfolgen der Realteilung für den Fall der auf ein Einzelwirtschaftsgut beschränkten Mitnahme ausschließe, vertritt Wendt die Auffassung, dass auch dieser Fall zur gewinnneutralen Buchwertfortsetzung berechtigen müsse, weil er gesetzlich gleichgestellt sei. Die Grundsätze der Realteilung gingen in diesem Fall § 6 Abs. 5 S. 3 EStG vor.

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Weiter leitet Wendt aus dem Urteil des BFH vom 17. September 2015 ab, dass für den Fall eines Spitzenausgleichs zwingend eine Realteilungsbilanz zu erstellen sei. In diesem Zusammenhang führen Leistungen aus noch nicht vorhandenem Gesellschaftsvermögen nach Ansicht von Wendt zu einer Überschreitung des Kapitalkontos und einem Gewinn in Höhe der Ergänzungszahlungen.

Zum Abschluss des Vortrages wies Wendt auf eine nicht von der Finanzverwaltung veröffentlichte Entscheidung hin, wonach die Grundsätze der Realteilung auch dann Anwendung fänden, wenn eine Mitunternehmerschaft nur zu dem Zweck gegründet wird, eine Realteilung zu ermöglichen.[27] Im Ergebnis konnte Wendt damit über eine erfreulich extensive Anwendung der Realteilungsgrundsätze durch die jüngere Rechtsprechung berichten.

Mit einem Dank an die rege Teilnehmerschaft und die ausgezeichneten Referenten beendeten Dr. Andreas Blunk[28] und RiFG Dr. Thomas Keß das gelungene Symposium.

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[1]    Dr. Thomas Keß ist Richter am Niedersächsischen Finanzgericht und Vorsitzender des Vereines zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover e.V. (VFS Hannover).

[2]    Henning Schröder ist Rechtsanwalt/Betriebswirt (BA)/Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht/Fachanwalt für Steuerrecht und Vorstandsmitglied des Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover e.V.

[3]    Prof. Dr. Kleindiek ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handelsrecht, deutsches und europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Bielefeld.

[4]    BGH, Urt. v. 24.01.2012, II ZR 109/11, GmbHR 2012, 387.

[5]    BGH, Urt. v. 10.05.2016, II ZR 324/14, GmbHR 2016, 754.

[6]    BGH, Urt. v. 17.12.2013, II ZR 21/12, GmbHR 2014, 198.

[7]    KG Berlin, Beschl. v. 24.08.2015, 23 U 20/15, GmbHR 2016, 416; KG Berlin, Urt. v. 10.12.2015, 23 U 99/15, GmbHR 2016, 416 ff.

[8]    Dr. Hans-Michael Pott ist Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht und Partner bei Sernetz Schäfer Rechtsanwälte, Düsseldorf.

[9]    EuGH, Urt. v. 13.12.2005, C-411/03, Sevic, GmbHR 2006, 140; Urt. v. 16.12.2008, C-210/06, Cartesio, NJW 2009, 569; Urt. V. 12.07.2012, C-378/10, VALE, EuZW 2012, 621.

[10]   OLG Nürnberg, Urt. v. 13.02.2012, 12 W 2361/11, ZIP 2014, 2494.

[11]   LG Aachen, Urt. v. 10.04.2007, 44 T 8/07, NZG 2007, 600.

[12]   OLG München, Urt. v. 07.03.2007, 31 Wx 92/06, DB 2007, 2032.

[13]   OLG Celle, Urt. v. 29.05.2012, 6 U 15/12, NZG 2012, 738; KG Berlin, Urt. v. 24.10.2011, 25 W 37/11, NZG 2012, 230.

[14]   OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.08.2014, I-3 Wx 190/13, NZG 2015, 199; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.01.2015, 12 W 46/15, GmbHR 2015, 196.

[15]   Prof. Dr. Michael Fischer ist Inhaber des Lehrstuhls für Steuerrecht an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.

[16]   BFH, Urt. v. 06.12.2016, I R 50/16, DStR 2017, 319.

[17]   FG Münster, Urt. v. 11.12.2014, 3 K 764/12 Erb, EFG 2015, 736.

[18]   Anhängiges Verfahren: BFH Az. II R 9/15.

[19]   OLG Stuttgart, Urt. v. 29.06.2009, 5 U 40/09, ZErb 2010, 1; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.04.2010, 22 U 126/06, ZEV 2010, 528.

[20]   BFH, Urt. v. 27.11.2013, II R 25/12, BFH/NV 2014, 537.

[21]   Gleichlautender Ländererlass v. 14.03.2012, BStBl. I 2012, 331, Tz. 3.3.2 f.

[22]   Prof. Dr. Joachim Hennrichs ist Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Bilanz- und Steuerrecht an der Universität zu Köln und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des BMF.

[23]   OFD NRW v. 12.05.2016, S 2742-2016/0009-St 131, abrufbar unter juris.

[24]   Michael Wendt ist Vorsitzender Richter am BFH und Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

[25]   BFH, Urt. v. 17.09.2015, III R 49/13, BStBl. II 2017, 37.

[26]   BMF-Schreiben v. 20.12.2016, BStBl. I 2017, 36.

[27]   BFH v. 16.12.2015, IV R 8/12, DStR 2016, 385.

[28]   Dr. Andreas Blunk, MLE ist Rechtsanwalt und Notar sowie Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und als Of Counsel bei der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Hannover tätig. Er ist zudem Beirat für Handels- und Gesellschaftsrecht des Rechtsanwalts- und Notarverein Hannover e.V.