Die Erbschaftsteuer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Symposium vom 21. Januar 2015
Am Mittwoch, dem 21. Januar 2015, fand im Conti-Campus der Leibniz Universität Hannover (LUH) vor einem prall gefüllten Hörsaal ein Symposium zu dem Thema „Die Erbschaftsteuer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts“ statt.
Schon während des Begrüßungswortes von Dr. Thomas Keß, Richter am Finanzgericht Hannover und Lehrbeauftragter der juristischen Fakultät der LUH, wurde deutlich, dass dieses Thema in Hannover an der Leibniz Universität bestens aufgehoben ist, immerhin war es einst Leibniz selbst, der Kaiser Leopold I. vorgeschlagen hatte, eine Steuer auf das Erbe zu erheben. Trotz dieser Verbundenheit zum Steuerrecht wird an der juristischen Fakultät der LUH derzeit nur eine einzige Vorlesung im Steuerrecht angeboten. Zahlreiche Steuerrechtspraktiker und steuerrechtlich interessierte Studierende planen daher zurzeit die Gründung eines „Vereins zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der LUH“. Sie vertreten die Ansicht, dass es als Jurist nicht nur in eigener Sache hilfreich ist, zumindest die Grundlagen des Steuerrechts zu verstehen, sondern es auch hilft, wirtschaftliche Vorgänge der Mandanten besser nachvollziehen zu können. Der Verein wird voraussichtlich im März gegründet. Keß rief alle Interessierten dazu auf, sich als Gründungsmitglieder oder später als Mitglieder für das Vorhaben zu engagieren.
Grußwort von Prof. Dr. Mehde
Auch die juristische Fakultät begrüßte die Teilnehmer der Veranstaltung vertreten durch den Dekan Herrn Prof. Dr. Veith Mehde. Er zeigte sich erfreut, über die prominent besetzte steuerrechtliche Veranstaltung an der LUH und merkte zum Thema des Abends an, dass es gerade für ihn als Professor des öffentlichen Rechts lobenswert sei, dass das BVerfG in dem Urteil eine geradezu schulmäßige Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchgeführt habe.
Grußwort des Präsidenten des BFH Prof. Dr. R. Mellinghoff
Die Einführung in das Veranstaltungsthema übernahm Prof. Dr. Rudolf Mellinghoff, Präsident des BFH und Vorsitzender der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft. Er betonte zunächst, dass einer der Zwecke der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft sei, das Steuerrecht als feste Größe in den Universitäten zu installieren. Daher begrüße er die Gründung des geplanten Vereins. Mellinghoff wies auf die Wichtigkeit der Erbschaftsteuer-Entscheidung und deren Thematisierung in einer Veranstaltung wie dieser hin. Das Urteil habe eine enorme Aufmerksamkeit auf sich gezogen, sodass Gesprächsbedarf bestünde.
Einführung durch RA/StB Prof. Dr. Dieter Birk
Der erste Vortragende Herr RA/StB Prof. Dr. Dieter Birk von der Kanzlei Pöllath & Partner, Berlin und ehemaliger Leiter des Instituts für Steuerrecht an der Universität Münster, konnte die Wichtigkeit der steuerrechtlichen Ausbildung der Juristen aus leibeigener Erfahrung empfehlen, denn er habe erst während des Habilitierens in den von ihm gegebenen Vorlesungen verstanden, was Buchführung und Bilanz eigentlich seien. Zum Urteil des BVerfG äußerte er, dass der Gesetzgeber wieder kein verfassungskonformes Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) zustande gebracht habe. Die Erbschaftsteuer sei die älteste Steuer und gehe bis auf die Ägypter zurück. Die Ansätze für ihre Rechtfertigung seien zahlreich. Adam Smith, Begründer der klassischen Nationalökonomie, habe die Erbschaft als einen „unverdienten Zuwachs an Leistungsfähigkeit“ geschimpft. Diese Tatsache allein rechtfertige laut Birk bereits die Erhebung der Steuer. Zudem gebe es eine Strömung, die die Erbschaftsteuer auf Grund familien- und sozialpolitischer Gründe akzeptiere. Eine letzte Strömung leite ihre Rechtfertigung aus makro- und mikroökonomischen Gesichtspunkten her, denn verglichen mit der Einkommensteuer gehe es bei der Erbschaftsteuer um eine gerechtigkeitsorientierte Korrektur der Vermögensverteilung. Das Problem bestehe in der Vereinbarkeit des ErbStG mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 I GG. Die Erbschaftsteuer sei keine Lenkungssteuer, sondern eine Fiskalzwecksteuer mit Lenkungsnormen, wie z.B. denjenigen über das Betriebsvermögen. Daher bedürfe es einer besonderen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, die in dieser Art nicht vom BVerfG geliefert wurde. Unter anderem diese Tatsache bewegte Birk zu seiner Schlussaussage, das BVerfG habe den vorgelegten Fall „im Wesentlichen durchgewunken“.
Vortrag des Berichterstatters im Normenkontrollverfahren Prof. Dr. M. Eichberger
Auf diese kritische Meinungsäußerung folgte der ersehnte Vortrag des Berichterstatters in dem Verfahren zum ErbStG RiBVerfG Prof. Dr. Michael Eichberger. Er betonte, die Erbschaftsteuer sei schon immer ein sensibles Thema gewesen, die Presse habe das Urteil jedoch als „ausgewogen“ wahrgenommen. Zudem stellte er klar, dass das ErbStG zwar ein „verkorkstes“ Gesetz sein möge, die Aufgabe des BVerfG sei es jedoch nur eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit durchzuführen, nicht die Schaffung von Klarheit im Steuerrecht. Sodann wandte er sich dem Inhalt des Urteils zu: Prüfungsmaßstab sei Art. 3 I GG gewesen, dabei seien besonders die Verschonungen beim Übergang betrieblichen Vermögens in den §§ 13a, 13b ErbStG der Überprüfung unterzogen worden. Zwar könne den betroffenen Paragraphen dies nicht entnommen ausdrücklich werden, jedoch habe das BVerfG für die Prüfung vorausgesetzt, dass die Regelungen nur für Familienunternehmen gelten sollen.
Sodann habe es die Verhältnismäßigkeit akribisch genau geprüft. Im Rahmen der Erforderlichkeit sei als milderes Mittel eine Stundungsmöglichkeit der Steuer untersucht worden. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass Verschonungsregeln notwendig seien, da ansonsten viele Betriebe durch die Steuerlast in existentielle Gefahr geraten würden. Insofern seien die §§ 13a, 13b ErbStG mit Art. 3 I GG vereinbar.
Die Verschonungsregeln dürften daher grundsätzlich gewährt werden, ohne dass eine tatsächliche Überprüfung einer konkreten Gefahr durchzuführen wäre. Allerdings bräuchte man „Förderungssicherungselemente“, denn andernfalls würden auch Betriebe, die nicht klein- oder mittelständisch von den Regelungen profitieren. Die Rechtfertigungslast der Ungleichbehandlung steige besonders in den Fällen, in denen keine Prüfung durchgeführt werden muss. Hier bedürfe es daher einer Korrektur des Gesetzes durch den Gesetzgeber, weshalb das BVerfG unter anderem die §§ 13a, 13b ErbStG für verfassungswidrig erklärte. Am Ende dürfe man nicht vergessen, so Eichberger, dass es bei den Verschonungsregeln nicht um den Schutz des Erwerbers, sondern des Betriebs und der Arbeitsplätze gehe. Hierfür habe das BVerfG dem Gesetzgeber die Möglichkeit einer Stundungsregel oder die Schaffung einer Verschonungsobergrenze aufgezeigt.
Anschließend fand eine von RiBFH Dr. Armin Pahlke geleitete Podiumsdiskussion statt, an der neben den genannten Referenten zusätzlich RA Dr. Reinhard Geck von der Kanzlei Kapp, Ebeling & Partner, der Prozessbevollmächtigten in dem Erbschaftsteuerverfahren RA Ralf Thesing von der Kanzlei Schulze-Borges Heinemann Gretzinger sowie der Leiter des u.a. für die Erbschaftsteuer zuständigen Referats 35 im Niedersächsischen Finanzministerium Ministerialrat Hubertus Plenz teilnahmen. Die Diskussionsrunde stellte sich – wie Prof. Dr. Eichberger anmerkte – eher als „Fragen-Antwort-Spiel“ heraus, denn die Teilnehmer hatten noch zahlreiche Fragen an den Verfassungsrichter. Insbesondere wurde er zu den Auswirkungen des Urteils befragt. Er erklärte, dass der Gesetzgeber nun bis zum 30. Juni 2016 Zeit habe, die Neuregelungen zu verabschieden und die Ungleichbehandlungen „auszubügeln“. Die Fortgeltung diene der Rechtssicherheit derer, die auf die Anwendung der noch geltenden Vorschriften vertrauten. Erfolge innerhalb der Frist keine Anpassung des Gesetzes, passiere im Grunde zunächst nichts. Einen solchen Fall, dass eine Fristsetzung ohne Folgen bleibe, habe es bisher so noch nicht gegeben. Auf die Frage von Herrn RA Dr. Reinhard Geck von der Kanzlei Kapp, Ebeling & Partner, ob sich danach das BVerfG um die Neuregelungen kümmern würde, begegnete Eichberger, dass das BVerfG sicherlich keine Blaupausen verfassen werde, aber die Möglichkeit hätte, im Wege eines „Vollstreckungsbeschlusses“ gegebenenfalls durchdachte Übergangsregelungen zu schaffen. Weitere zum Teil stichelnde Fragen an den Verfassungsrichter wurden nicht wie erhofft beantwortet, da Herr Prof. Dr. Eichberger nur entgegnen konnte, er könne nicht mehr sagen, als in dem Urteil stehe und nur die im Urteil aufgebrachten Punkte seien entscheidungserheblich gewesen. Insgesamt zeigte sich eher eine Abneigung gegenüber dem getroffenen Urteil, auch aus dem Publikum, welches sich an der Diskussion beteiligte. Die aufgeheizten Gemüter konnten jedoch im Anschluss an die Veranstaltung mit einem kühlen Sekt und einem Buffet beruhigt werden.
stud.iur. Dipl.-Fw. Charlotte Merkel
Der Verein gibt mit Freude bekannt, dass das Symposium zur Erbschaftsteuer auf den folgenden Beiträgen erwähnt wurde. Interessierte können über die Links Zugang zu den jeweiligen Beiträgen bekommen.