Steuerrecht in Niedersachsen: Ein Gespräch mit Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann

v.l.n.r. Dr. Zacharias-Alexis Schneider, Dr. Thomas Keß, Dr. Kathrin Wahlmann, Lennart Sindermann, Dr. Simon Schnelle

Am 18. April 2023 waren Dr. Zacharias-Alexis Schneider, Dr. Thomas Keß und Lennart Sindermann als Vorstandsmitglieder des Vereins zur Förderung der Steuerrechtswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover e.V. (VFS Hannover) zu Gast bei der niedersächsischen Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann und sprachen über die Zukunft des Steuerrechts in Niedersachsen. Auch der Vizepräsident des Landesjustizprüfungsamt (LJPA) Dr. Simon Schnelle war Teil der Gesprächsrunde.

Die Ministerin zeigte sich aufgeschlossen und interessiert an den Aktivitäten und der Größe des VFS Hannover und erklärte, sie unterstütze die Zielsetzungen des Vereins, das Interesse beim juristischen Nachwuchs am Steuerrecht zu wecken und weitere Möglichkeiten des Austausches und der Lehre an norddeutschen Universitäten im Bereich des Steuerrechts zu schaffen.

Aufgrund der enormen gesamtgesellschaftlichen Bedeutung der Steuerrechtspflege ist es von wirtschaftlicher Bedeutung, gut qualifizierten steuerjuristischen Nachwuchs zu fördern. Dieser fehlt derzeit in sämtlichen Wirtschaftsbereichen. Die in Niedersachsen ansässigen Unternehmen haben ihren Bedarf aufgezeigt, um ihre Wettbewerbsfähigkeit und somit auch Arbeitsplätze in der Region langfristig zu erhalten. Die Finanzverwaltung benötigt ebenfalls qualifizierten Nachwuchs, damit auch die Steuererhebung in Niedersachsen möglichst gleichheitsgerecht sowie zeitnah erfolgen kann und die Staatseinahmen gesichert sind. Unternehmen, Kanzleien und Verwaltung fehlt es insoweit gleichermaßen an Nachwuchs, der am niedersächsischen Markt rar gesät ist.

Derzeit hält Prof. Dr. Steffen Lampert in Osnabrück alleine die Stellung und sorgt dafür, dass Niedersachsens juristische Fakultäten nicht gänzlich ohne juristische Fakultät mit steuerrechtlichem Lehrstuhl dastehen.

Währenddessen unterhalten 10 Bundesländer (Nordrhein-Westfalen, Bayern, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Saarland) an ihren juristischen Fakultäten und 3 Bundesländer (Baden Württemberg, Hessen und Berlin) an allen außer je einer juristischen Fakultät einen steuerrechtlichen Lehrstuhl. Noch dünner als in Niedersachsen – wo nur eine von drei juristischen Fakultäten einen steuerrechtlichen Lehrstuhl besitzt – stehen nur Bremen und Mecklenburg-Vorpommern dar, deren juristische Fakultäten überhaupt keinen steuerrechtlichen Lehrstuhl aufweisen.

Das ohnehin geringe steuerrechtliche Lehrangebot in Niedersachsen verkleinerte sich in jüngster Zeit zudem weiter. Das noch bis 2021 an der Universität Osnabrück existierende Institut für Finanz- und Steuerrecht wurde aufgelöst und Steuerrecht dem neuen Institut für Staats-, Verwaltungs- und Wirtschaftsrecht zugeordnet.

Das wird den Bedarf Niedersachsens als viert wirtschafts- und bevölkerungsstärkstes Bundesland nicht gerecht. Dieser Bedarf konzentriert sich insbesondere in und um Hannover. Denn Hannover ist nicht nur die niedersächsische Landeshauptstadt, in der auch das Finanzministerium und das Finanzgericht ansässig sind. Darüber hinaus ist die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg auch das Herz der niedersächsischen Wirtschaft mit Unternehmen wie der Continental AG, HDI AG und Rossmann GmbH in der Region Hannover sowie der Volkswagen AG in Wolfsburg und der Salzgitter AG in Salzgitter.

Der Vorstand des VFS Hannover durfte mit der Ministerin diese Punkte intensiv diskutieren. Auch wenn die Themen teilweise über die Zuständigkeit des Justizministeriums hinausgehen, sagte die Ministerin einen entsprechenden Dialog und Sensibilisierung bei weiteren Veranstaltungen mit den in die universitäre Ausbildung involvierten Stellen und Ministerkollegen zu. Auch der Vizepräsident des LJPA Dr. Simon Schnelle kündigte an, dass das LJPA weitere steuerrechtliche Veranstaltungen im Rahmen der juristischen Ausbildung anerkennen werde, soweit die Voraussetzungen dies zulassen.

Dem Ziel die Präsenz des Steuerrechts, insbesondere in der Lehre und bei der Begeisterung von Nachwuchs zu steigern, hat sich der VFS Hannover verschrieben. Hierbei kann der Verein ansehnliche Erfolge vorweisen. Dem Verein ist es seit 2015 gelungen über 400 Mitglieder zu gewinnen. Über 250 Studierende sind bereits Mitglied im VFS Hannover geworden. Unterstützt wird der Verein durch mehr als 30 Kanzlei- und Unternehmensmitglieder.

Der Verein fördert die Steuerrechtswissenschaft sowohl mit personellen als auch mit finanziellen Mitteln. Auf universitärer Seite bedeutet das z.B., dass der VFS Hannover die Teilnahme der Leibniz Universität Hannover an dem grds. alle zwei Jahre stattfindenden Moot-Court zum Steuerrecht des Bundesfinanzhofs und der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. organisiert und unterstützt. Diese Anstrengungen waren durchaus von Erfolgen gekrönt. Auf die erste Teilnahme am Durchgang 2017, folgte bereits 2019 der grandiose zweite Platz, der 2022 sogar noch durch das Erreichen des ersten Platzes getoppt werden konnte. Zudem veranstaltet der Verein Crashkurse zum Steuerrecht, um wenigstens einen kleinen Eindruck vom Steuerrecht zu vermitteln.

Mit diesen Aktivitäten ergänzt der Verein das Engagement von RiFG Dr. Thomas Keß, Vorsitzender des VFS Hannover, der als Lehrbeauftragter der juristischen Fakultät der Leibniz Universität mit seiner Vorlesung „Grundzüge des Steuerrechts“ die einzige steuerrechtliche Vorlesung anbietet. Erweitert wurde das Lehrangebot im SoSe 2021 und WiSe 2022/23 durch die bei den Studierenden sehr stark nachgefragten interdisziplinäre Seminare zu den Themen „Rechtssicherheit im Unternehmenssteuerrecht“ und „Steuergestaltung und Moral“, die zusammen mit Prof. Dr. Kay Blaufus vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre durchgeführt wurden.

Darüber hinaus ist es gelungen eine Plattform für steuerrechtlich interessierte Studierende sowie erfahrene Berufsträger zu schaffen. Außerdem setzt sich der VFS Hannover dafür ein, in Hannover Deutschlands erste Tax Law Clinic zu errichten.

Das alles stützt sich auf dem Engagement von ehrenamtlich Tätigen. Es gibt einige Erfolge zu verbuchen, aber diese sind noch nicht ausreichend, um das Problem des fehlenden steuerrechtlichen Nachwuchses zu lösen. Der VFS Hannover ist daher weiterhin darum bemüht, in Hannover das steuerrechtliche Lehrangebot auszuweiten und vielleicht irgendwann auch einmal einen steuerrechtlichen Lehrstuhl zu verwirklichen.