41. Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft

Zum einundvierzigsten Mal in ihrer Geschichte und erstmalig in Hannover als Tagungsort fand in der Zeit vom 19.09.2016 bis zum 20.09.2016 in den Räumlichkeiten der Juristischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover die Jahrestagung der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft (DStJG) statt. Sie versammelte unter der Schirmherrschaft des Präsidenten des Bundesfinanzhofs, Herrn Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, und dank einer vorzüglichen Organisation durch die Kölner Geschäftsstelle über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Justiz, Verwaltung, Wissenschaft, Beraterschaft, Unternehmen und Verbänden.

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Das vom Vorstand der DStJG gewählte Thema der Tagung „Besteuerung von Arbeitnehmern“ erweist sich dabei als ein steuerjuristischer „Dauerbrenner“, das zwar neben den aktuell beherrschenden Diskussionen um die Reform der Erbschaftsteuer und der Grundsteuer nicht unmittelbar im politischen Fokus steht, dennoch erhöhte Beachtung verdient. So zeichnet sich die Besteuerung von Arbeitnehmern nicht nur durch eine monetäre Komponente aus, sondern hat auch eine besondere wirtschaftspolitische Bedeutung und weist somit eine Steuerungswirkung für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer auf. Die einzelnen Referate beleuchten dabei viele Teilaspekte eingehend und beschrieben sehr anschaulich die Sichtweisen der verschiedenen beteiligten Akteure (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Finanzverwaltung). Deutlich wurde dabei, dass längst nicht alle Rechtsfragen geklärt sind, sondern stets neuartige Fragestellungen auftreten, denen großes Konfliktpotenzial immanent ist. Die besondere Auseinandersetzung mit diesen Streitfragen erfolgte intensiv und facettenreich während der Diskussion zwischen den Referaten. Die Erträge der Referate und der einzelnen Diskussionsrunden in ihrer gesamten Breite darzustellen, würde den Umfang dieses Berichts sprengen, sodass nur Schlagworte dargestellt werden können oder wie es Herr MR Dr. Thomas Eisgruber in seinem Referat eingangs erwähnte: „Das Thema ist zu groß“.

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Die Tagung begann in den Abendstunden des 18.09.2016 mit einem geselligen Beisammensein im Restaurant XII Apostel im historischen Pelikanviertel, wobei das persönliche Kennenlernen und der erste Austausch unter dem Teilnehmenden im Vordergrund standen. Vorab trafen sich bereits am Nachmittag die Preisträger des Albert-Hensel-Preises, wobei besonders positiv bemerkt wurde, dass nahezu sämtliche Preisträger der vergangenen Jahre und Jahrzehnte anwesend waren und auch an der Tagung teilnahmen. Dies verdeutlicht einmal mehr die enge Verbindung zwischen den Preisträgern und der Gesellschaft.

Der erste Tag fokussierte nach der Begrüßung des Vorsitzenden der DStJG e.V., Herrn Präsidenten des BFH Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, der das Thema der Tagung mit instruktiven Bemerkungen rechtfertigte und dessen Bedeutung aufzeigte, den Blick am Vormittag auf die Einordung des Themas in den steuerlichen Gesamtkontext. Unter der Tagungsleitung von Herrn MinDir Ernst Hüdepohl aus dem Niedersächsischen Finanzministerium referierte Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen (Universität München) über die Arbeitnehmerbesteuerung im System der Einkommenssteuer. Unmittelbar daran anknüpfend und unter Bezugnahme auf das soeben Gehörte stelle Prof. Dr. Gregor Kirchhof, LL.M. (Universität Augsburg) die Rechtsetzung und Rechtsanwendung im Massenfallrecht am Beispiel der Lohnsteuer dar. Nach einer kurzen Kaffeepause stellte Herr MinDir Dr. Stefan Beinersdorfer (Mainz) den Begriff des Arbeitslohns, seine Bedeutung und seine Grenzen dar.

Die Mittagspause nutzen die Teilnehmenden u.a. dazu, sich im Foyer der Tagungsstätte über die steuerlichen Aktivitäten in Hannover zu informieren. So stellte der jüngst im März 2015 gegründete „Verein zur Förderung der Steuerrechswissenschaft an der Leibniz Universität Hannover“ (kurz: VFS Hannover e.V.) sein Angebot für steuerrechtlich interessierte Studierende wie auch seine steuerrechtliche Netzwerkarbeit dar. Ebenfalls stellten einige Doktorandinnen und Doktoranden ihr Promotionsvorhaben auf Postern vor, die bereits vorab auf der Homepage der DStJG zur Ansicht bereitgestellt wurden. Die Teilnehmenden kamen dabei zahlreich mit den Doktorandinnen und Doktoranden ins Gespräch und diskutierten gemeinsam mit diesen die gefundenen Arbeitsthesen kritisch und gaben an der einen oder anderen Stellen wertvolle Anregungen für die weitere Forschung.

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Der Vorstandsvorsitzende der DStJG und Präsident des BFH Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff (links) neben unseren Vereinsmitgliedern Charlotte Merkel und Patrick Otto.

Die nachmittäglichen Vorträge widmeten sich dem Verfahren und Rechtsschutz im Lohnsteuerrecht (Richter am BFH Dr. Roland Krüger, München), der Rolle des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren (Prof. Dr. André Meyer, Universität Bayreuth) sowie dem Lohnsteuervollzug im europäischen Rechtsvergleich (Prof. Dr. Werner Haslehner, LL.M., Luxemburg). Besonderes Interesse erweckte dabei vor allem der letzte Vortrag zur rechtsvergleichen Perspektive, der einige wertvolle Impulse brachte und mithin bislang ungeahnte mögliche Reformüberlegungen brachte. Dies verdeutlichten auch die anschließenden Wortbeiträge, die sich darum bemühten, die Errungenschaften internationaler Steuerrechtsordnungen für das deutsche Recht fruchtbar zu machen. Doch illustrierten auch die beiden anderen Vorträge die besonderen Herausforderungen, denen sich die Arbeitgeber ausgesetzt sehen, indem der Staat ihnen aufoktroyiert, an sich staatliche Aufgaben wahrzunehmen. So läge der durchschnittliche Aufwand für den Lohnsteuerabzug pro Arbeitnehmer bei 10 – 40 € pro Monat, die der Arbeitgeber kompensationslos tragen muss. Es liegt auf der Hand, dass bei großen DAX-Konzernen selbst diese vergleichsweise kleinen Beträge in Summe zu einer hohen Gesamtbelastung führen können. Das Problem spitzt sich auch noch dadurch zu, dass häufig kleinere Arbeitgeber nicht dazu in der Lage sind, alle einkommenssteuerrechtlichen Regelungen zutreffend zu erfassen.

Den Schluss des ersten Tages bildete zunächst die Verleihung des Albert-Hensel-Preises, welcher bereits seit 1981 für besondere steuerrechtliche Dissertationen oder Habilitationen verliehen wird. Diesjähriger bereits 34. Preisträger des Albert-Hensel-Preises ist Herr Dr. Thomas Wiesch, der mit einer Arbeit zum Thema „Die umsatzsteuerliche Behandlung der öffentlichen Hand“ unter Betreuung von Herrn Prof. Dr. Joachim Englisch an der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster promoviert wurde. Die gehaltene Laudatio schilderte dabei sehr plastisch den besonderen Mehrwert dieser Arbeit für den wissenschaftlichen Diskurs sowie die Rechtspraxis. Nach der Verleihung des Albert-Hensel-Preises lud der Vorsitzende der DStJG zur Mitgliederversammlung. Nach Absolvierung des Fachprogramms besuchten die Teilnehmenden einen Empfang im Niedersächsischen Landesmuseum, zu dem der Niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Scheider eingeladen hatte.

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Der zweite Tag betrachtete unter der Tagungsleitung von Herrn Vors. Richter am BFH a.D. Prof. Dr. Hans-Joachim Kanzler zunächst am Vormittag die internationale Arbeitnehmerbesteuerung aus Arbeitgebersicht (RA Dr. Christian Dorenkamp, LL.M., Bonn) sowie aus Arbeitnehmersicht (MR Dr. Thomas Eisgruber, München). Dabei zeigte Herr RA Dr. Christian Dorenkamp am Beispiel der Deutschen Telekom AG, welchen Herausforderungen sich große Arbeitgeber ausgesetzt sehen und wie schwierig es häufig ist, eine einkommenssteuerrechtlich handhabbare Lösung zu finden. Dies gelänge häufig nur unter erheblichen Kraftaufwendungen und vielen Kompromissen innerhalb des Unternehmens. Dies bestätigte die Erkenntnisse des Vortages. Herr MR Dr. Thomas Eisgruber wies demgegenüber aus Arbeitnehmersicht darauf hin, dass sich die einkommenssteuerrechtlichen Herausforderungen für diese in besonderer Weise stellen und die Auswirkungen noch stärker als bei den Arbeitgebern seien, da diesen das steuerrechtliche „Know-how“ zumeist komplett fehle. Auch zur Kompensation gedachte Instrumente wie das Schlichtungsverfahren führten dort häufig nicht zur gewünschten Lösung.

Im zweiten Teil des Vormittags traten die Themen Werbungskosten des Arbeitnehmers (Prof. Dr. Henning Tappe, Universität Trier), Arbeitslohn und sozialversicherungspflichtiges Entgelt (Vors. Richter am BFH Prof. Dr. Stefan Schneider, München) sowie Mitarbeiterbeteiligungen (RA, StB Dr. Peter Möllmann, Berlin) auf die Agenda, wobei die anschließende Diskussion aufgrund der Länge der Vortage etwas kürzer ausfiel. Deutlich wurde aber auch hier, dass das gewünschte Ideal des Gesetzgebers und die Realität häufig auseinanderfallen, mithin die Rechtsprechung erst die nötigen Korrekturen vornehmen muss, die der Gesetzgeber versäumt hat, selbst zu regeln. Dies ist allerdings zumeist der Komplexität der Materie geschuldet, die es nicht ermöglicht, sämtliche Fragen gesetzgeberisch zu regeln. Nach der Mittagspause wurde das Tagungsthema Arbeitnehmerbesteuerung abgerundet durch Referate zu lohnsteuerlichen Fragen der betrieblichen Altersvorsorge (RegDir a.D. Dr. Heinz-Gerd Horlemann, Herzogenaurach) sowie zu den Impulsen und Grenzen der steuerlichen Gestaltung im Arbeitsverhältnis (RA Dr. Klaus Strohner, Köln).

Die Jahrestagung der DStJG lieferte mit ihren hervorragenden Referaten und intensiv geführten Diskussion einmal mehr den Beweis, dass das gewählte Thema hochaktuell ist und auch zu kontroversen Sichtweisen führen kann. Wenngleich aus zeitlichen Gründen nicht alle Themenkomplexe bis ins letzte Detail behandelt werden konnten, so bot die Tagung doch eine sehr gute Möglichkeit, sich umfassend über die derzeit diskutierten Fragen zu informieren und mit vielen wertvollen Einblicken für die eigene berufliche Tätigkeit die Tagung in guter Erinnerung zu behalten. Es ist damit zu erwarten, dass sich auch die kommende 42. Jahrestagung der DStJG in Wien wieder ähnlich großer Beliebtheit erfreuen und den steuerrechtlichen Horizont in besonderer Weise erweitern wird.